Unheimliche und schwierige Zeiten.

Während die westliche Welt mit Entsetzen den Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine vor den Bildschirmen verfolgt, geht der politische Alltag im Kantonsrat seinen Gang. Mit einer Doppelsitzung, die sich am Vormittag personellen Geschäften, Redaktionslesungen und Parlamentarischen Initiativen widmet und am Nachmittag versucht, zahlreiche Geschäfte der Baudirektion abzuarbeiten. Dennoch, die Haltung des schweizerischen Bundesrates, der die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft nicht mittragen wollte, und einmal mehr völlig chaotisch kommuniziert, lassen unsere Landeregierung in schiefem Licht erscheinen. Auch wirre Aussagen in der Arena, wonach die Neutralität gebieten würde, Sanktionen nicht nur gegen den Aggressor Russland, sondern auch gegen die angegriffene Ukraine zu ergreifen, sind absurd. Die sich abzeichnende Kehrtwende des Bundesrates und der geplatzte Traum einer Friedensverhandlung in Genf führen unser Land nun auf den Weg, den man ohne Not bereits letzten Donnerstag entschlossen hätte gehen müssen.

In einer gemeinsamen Erklärung aller Fraktionen forderte das Zürcher Parlament Bundes- und Regierungsrat auf, sich entschieden hinter die Sanktionen der EU gegen Russland zu stellen. Es gibt Momente im Leben, da übergeordnete Anliegen wie Einhaltung von Völker- und Menschenrecht über parteipolitischem Gezänk und kurzfristigen wirtschaftlichen Überlegungen stehen sollte.

Das gilt auch für die Zürcher Regierungspräsidentin, die sich über die sozialen Medien unmissverständlich äussert. Jedoch schaut sie als politische Schirmherrin des Opernhauses tatenlos zu, dass demnächst eine russische Starsopranistin, die sich gerne im Dunstkreis von Putin aufhält und sich vor Jahren mit russischer Flagge im Donbass fotografieren liess, auftreten kann. Ohne dass von ihr verlangt wird, sich eindeutig öffentlich vom Einmarsch der Russen in der Ukraine zu distanzieren.

Zu Beginn der Ratssitzung galt es, ein neues Mitglied für den Bankrat zu wählen. Janos Blum, SP wird abgelöst durch Sandra Berberat Kecerski, Grüne. Isabel Garcia (GLP, Zürich) ersetzt in der Finanzkommission den zurückgetretenen Cyrill von Planta.

Danach gab es eine Reihe von Geschäften aus der Direktion für Sicherheit und Soziales. In zweiter Lesung wurden die Änderungen des Polizeiorganisations-gesetzes und des neuen Selbstbestimmungsgesetzes verabschiedet. Menschen mit Behinderungen im Kanton Zürich sollen künftig so weit wie möglich selbst bestimmen können, wo und wie sie wohnen und von wem sie dabei betreut werden. Das neue Selbstbestimmungsgesetz sieht unter anderem den dafür in diesem Bereich notwendigen Systemwechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung vor. Mario Fehr bedankte sich beim Rat mit einer kleinen süssen Aufmerksamkeit.

 

Die Parteien Mitte, EVP und AL wollten Elterntaxis verhindern, indem den Gemeinden ermöglicht werden soll, im Umfeld von Schulen ein Halteverbot anzubringen. Um Verkehrsfragen ging es auch bei einem Vorstoss aus der SVP. Er verlangt, dass künftig nicht nur für Fahrzeuge mit Verbrennungs- oder Hybridmotoren, sondern auch für solche mit alternativen Antrieben eine Verkehrsabgabe bezahlt werden soll. Damit entspannt sich eine verkehrspolitische Debatte über die Wirkungen der verschiedenen Verkehrsträger. Der Vorstoss wurde mit 101 Stimmen abgelehnt.

 

Parlamentarische Initiativen haben Konjunktur. Entsprechend stand die vorläufige Unterstützung weiterer 4 PI’s an. Der Kantonsrat hat aus Effizienzgründen reduzierte Debatte beschlossen.

 

Kinderbetreuung ist immer wieder ein Thema, das den Kantonsrat beschäftigt. Das Regelwerk, in welche Betreiberinnen von Kitas und Tagesfamilien eingebunden sind, ist eher ein dichter, für Aussenstehende ein vollends undurchdringlicher Dschungel. Mit einer parlamentarischen Initiative soll bestimmt werden, welche Praktikanten und Praktikantinnen als Betreuungspersonen zugelassen werden sollen und welche nicht. Anbieter, welche das Label Qualikita erfüllen, brauchen dafür keine Verordnungsanpassung. Es ist klar, dass nur Praktikumsplätze im Rahmen von Lehrverhältnissen vergeben sollen. Ebenso klar ist neben dem bildungspolitischen Aspekt, dass die Beschäftigung von Praktikantinnen und Praktikanten auch wirtschaftlich von Bedeutung sind. Kinderbetreuung kostet mehr, je mehr Auflagen es gibt.

 

Braucht es Gesetze für Dinge, die bereits im Gang sind? Diese Grundsatzfrage stand am Nachmittag bei den Geschäften der Baudirektion. Die Antwort der FDP ist klar nein, auch dann, wenn es sich um Solaranlagen auf kantonalen Gebäuden handelt. Schon vor 5 Jahren haben wir ein Postulat abgeschrieben, welches genau dies wollte. In der Zwischenzeit macht die Baudirektion resp. das Hochbauamt genau das, was auch die Elektrizitätswerke tun. Sie bauen dort Solaranlagen, wo es wirtschaftlich ist. Und sie prüfen die in einem standardisierten Prozess bei jeder Anlage. Mehr braucht es eigentlich nicht. Viel wichtiger wäre der Abbau von baupolizeilichen Hürden und endlosen Einsprachemöglichkeiten von allen möglichen Seiten beim Bau solcher Anlagen.

 

Martin Farner – Brandenberger

Kantonsrat FDP Oberstammheim