Die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) ist wegen ihrer Radikalität und ihrem Schweizer Alleingang leider eine Konzernvertreibungsinitiative. Sie gehört deshalb abgelehnt, damit der indirekte Gegenvorschlag in Kraft treten kann, der neben einer stark verbesserten Sorgfaltspflicht auch eine Gleichbehandlung von Schweizer Firmen gegenüber Firmen im Ausland in Haftungsfragen sicherstellt.Die KVI gaukelt vor, nur Grosskonzerne zu betreffen, zieht aber viel grössere Kreise. Ein erster Punkt ist die Sorgfaltspflicht, ein wesentlicher Bestandteil der KVI. Im Initiativtext steht, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Sorgfaltspflicht Rücksicht auf die Bedürfnisse der KMU nimmt, die geringe Risiken aufweisen. Das bestätigt erst einmal, dass die KVI alle Unternehmen mit Sitz in der Schweiz adressiert.Dann bedeutet es auch, dass ein KMU dereinst wohl nachweisen muss, dass es nur geringe oder keine Risiken hat, um beantragen zu können, von der Sorgfaltspflicht entbunden zu werden oder von einem vereinfachten Verfahren zu profitieren. Zusätzlicher Aufwand für KMU, und ein zusätzliches Geschäft für noch zu schaffende Zertifizierungsstellen, die über die Risikoprofile der Firmen und deren Anträge befinden werden.Firmen mit Risiken, die effektiv mit potenziell problematischer Ware (die Initianten sprechen von Goldraffinerien und Diamantenhändlern, ich denke an den Schreiner, der Kleinstmengen von exotischen Hölzern verwendet, oder an die verarbeitenden Lebensmittelbetriebe in der Schweiz), müssten aufwendige Kontrollsysteme aufbauen. Eine Einteilung nach den OECDRisikosektoren Agrar, Rohstoff, Finanz und Textilsektor ergibt für die Schweiz etwa 80 000 betroffene Firmen, viele davon Klein und Kleinstunternehmen.Neben der Sorgfaltspflicht ist die Haftungspflicht der zweite Bestandteil der KVI. Hier wird zwischen Konzern und KMU kein Unterschied mehr gemacht: Jede Schweizer Firma soll in der Schweiz eingeklagt werden können für Schäden, die von ihr abhängige Betriebe (Lieferanten oder Tochtergesellschaften) im Ausland verursacht haben. Dann müsste diese Firma beweisen, dass sie und ihre Partner weltweit nichts falsch machten. Kann sie das nicht, haftet sie vor Schweizer Gericht. Diese Konzernhaftung mit Anwendung von Schweizer Recht auf Ereignisse in fremden Staaten ist weltweit einzigartig! Firmen aus dem Ausland hingegen, die ihre Ware in der Schweiz verkaufen, haben nichts zu befürchten. Unsere ausländischen Konkurrenten und deren Anwälte werden sich also die Hände reiben!